Tipp des Monats - 11/2021

Smart Readiness Indicator (SRI)

In der EU-Richtlinie „EPBD 2018“ wird die Einführung von einem „Smart Readiness Indicator (SRI)“ bzw. „Intelligenzfähigkeitsindikator“ empfohlen.

Noch sind die Anforderungen der EPBD 2018 nicht im deutschen Gebäudeenergiegesetz (GEG) enthalten, aber genau das deutet sich für nächstes Jahr an. Somit ist es möglich, dass auch der SRI eingeführt wird.

Einen Überblick über die Berechnungsmethode zum SRI sowie Erfahrungen bei exemplarischer Anwendung wird in diesem „Tipp des Monats“ vorgestellt. Zu diesem bieten wir auch wieder ein kurzes Web-Seminar am 24.11.21 um 14 Uhr mit Prof. Dr. Michael Krödel an. Den Link finden Sie am Ende des Beitrags.

Forderung zur Einführung des Smart Readiness Indicator (SRI) durch die EPBD 2018

Die Forderung nach einem SRI ist in der EPBD 2018 empfohlen. In der deutschen Version wird dieser als „Intelligenzfähigkeitsindikator“ beschrieben, aber im deutschen Sprachgebrauch wird weitgehend der englische Begriff bzw. die englische Abkürzung verwendet. Abbildung 1 zeigt eine entsprechende Passage aus der deutschen Version der EPBD 2018. Dort wird dieser als sinnvoller Indikator erwähnt, um zu bewerten, wie weit ein Gebäude fähig ist, den Gebäudebetrieb an den Bedarf der Bewohner bzw. Nutzer anzupassen.

Um diesen SRI bzw. dessen Berechnungsmethode festzulegen, wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, deren Ergebnisse auf der Webseite veröffentlicht wurden. Zum SRI weiterleiten

Im Detail findet man dort im Abschnitt „Milestones und Documents“ eine entsprechende Checkliste sowie ein Bewertungs- und Gewichtungsschema. Ebenso ist dort auch ein „Final Report“ vom Juni 2020 verfügbar, der die Hintergründe zum SRI sowie Hinweise zur Anwendung beschreibt.

In diesem Dokument wird der SRI bzw. die „Smartness“ von Gebäuden weiter spezifiziert und wie folgt definiert: „Die Smartness eines Gebäudes bezieht sich auf die Fähigkeit eines Gebäudes oder seiner Systeme, veränderte Bedingungen in Bezug auf den Betrieb technischer Gebäudesysteme oder die externe Umgebung (einschließlich Energienetze) und auf Anforderungen der Gebäudenutzer zu erkennen, zu interpretieren, zu kommunizieren und aktiv und effizient darauf zu reagieren“.

Der Inhalt der EPBD 2018 ist in Deutschland noch nicht verbindlich vorgeschrieben. Das deutsche GEG (Gebäudeenergiegesetz) basiert noch auf den Anforderungen der EPBD 2010. In der Branche vermehren sich aber die Anzeichen dafür, dass nächstes Jahr eine „GEG Novelle 2022“ oder ein „GEG 2.0“ verabschiedet wird. Im Newsletter 37/2021 des TGA Fachplaners wurde bereits darauf hingewiesen, dass Deutschland womöglich schon jetzt ein EU Vertragsverletzungsverfahren droht, da die EU-Vorgaben nicht ausreichend umgesetzt wurden. Somit scheint die Einführung des SRI nur eine Frage der Zeit – sei es im Rahmen der anstehenden Überarbeitung des GEG für 2022 oder etwas zeitlich verzögert.

Bewertungsvorgehen

Als Grundlage zur Ermittlung des SRI sind auf der weiter oben angegebenen Homepage der Arbeitsgruppe zwei Excel-Dateien verfügbar, die zu beantwortende Fragen enthalten. Dabei wird in zwei Methoden unterschieden: die „vereinfachte“ und die „detaillierte“ Variante. Der Unterschied liegt darin, dass die vereinfachte Variante nur 27 der bis zu 54 möglichen Fragen enthält. Die vereinfachte Variante wird für Wohngebäude empfohlen, für Nichtwohngebäude die detaillierte Variante.

Abbildung 2 zeigt einen Auszug aus der Checkliste. Dort ist jede Frage als Block aufgenommen – so z.B. die Frage nach der Wärmeabgabe im Raum (Heat emission control).

Zu dieser Frage werden in den Folgezeilen unterschiedliche Antworten angeboten – von keiner Automation (no automatic control) bis zu Einzelraumregelung mit Präsenzerkennung (individual room control with presence control). Zu jeder Antwortmöglichkeit wird in den Folgespalten angegeben, wieviel Punkte für eine Gesamtbewertung zu addieren sind.

Dabei beziehen sich die Fragen auf den Automationsgrad von neun verschiedenen Gewerken (Heizung, Trinkwarmwasserbereitung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung, Dynamische Gebäudehülle, Elektrizität, Laden von Elektrofahrzeugen sowie Überwachung und Steuerung) – diese Gewerke werden als „Domains“ bezeichnet.

Bewertungspunkte gibt es dann für sieben Anwendungsbereiche (Energieeffizienz, Energieflexibilität und –speicherung, Komfort, Bequemlichkeit, Gesundheit und Wohlbefinden, Wartung und Fehlervorhersage, Informationen an Bewohner) – diese werden als „Impacts“ bezeichnet.

Diese Domains und die Impacts sind in Abbildung 2 („Auszug aus der Checkliste“) ersichtlich: Die Domains sind auf unterschiedliche Excel-Arbeitsmappen aufgeteilt und die Impacts sind die Spalten der Bewertungspunkte jeder Antwortmöglichkeit.

Die im Rahmen einer Gebäudebewertung ermittelten Bewertungspunkte werden gewichtet zur Gesamtbewertung des jeweiligen „Impacts“ addiert und ebenso gewichtet zum SRI zusammengeführt. Dabei hängen diese Gewichtungsfaktoren von sieben Klimazonen ab – Abbildung 3 zeigt die Gewichtungsfaktoren für die Klimazone West-Europa.

Dort ist z.B. zu sehen, dass die Bewertung des Impacts „Energieeffizienz“ (Energy savings on site) zu 34 % von der Bewertung der Heizung abhängt, zu 8 % vom Automationsgrad der Trinkwarmwasseraufbereitung, zu 5 % vom Automationsgrad der Kühlung etc. (siehe zweite Tabellenspalte in der Abbildung). Beim Zusammenführung der Bewertungen der Impacts zum SRI hängt dieser zu 17 % von der Bewertung der Energieeffizienz ab, zu 33 % von der Energieflexibilität, zu 8 % vom Komfort etc. (siehe unterste Zeile in der Abbildung).

Bei Anwendung der Checkliste und Gewichtungsfaktoren ergeben sich so Erfüllungsgrade für die jeweiligen „Impacts“ sowie den SRI (siehe Abbildung 4 – Erfüllungsgrade für die jeweiligen Impacts sowie den Gesamt-SRI).

Bewertung hinsichtlich der Anwendbarkeit

Trotz sehr umfangreichen Beschreibung auf der Homepage der Arbeitsgruppe (der „Final Report“ vom Juni 2020 umfasst z.B. 487 Seiten!) ergaben sich Fragen in Bezug auf die Anwendbarkeit:

  • Welche SRI-Werte sind für „gute“ oder „schlechte“ Gebäude zu erwarten – d.h. in welchem Bereich werden sich „echte“ Gebäude befinden?
  • Sind die Bewertungen des SRI plausibel bzw. realistisch?

Diese Fragen wurden im Rahmen einer Bachelorarbeit von Herrn Moritz Schmidtke an der Technischen Hochschule Rosenheim behandelt. Titel: „Untersuchung und Bewertung des  Smart Readiness Indicators (SRI)  der EU Richtlinie 2018/844  hinsichtlich der praktischen Anwendung“, Moritz Schmidtke, 2021

Exemplarische Bewertungen von unterschiedlichen Gebäuden

Zur Klärung der ersten Frage wurden 7 Gebäude gemäß der SRI-Methode berechnet. Die Gebäude verfügten je nach Alters- und Ausbaustufe über einen geringen bis leicht gehobenen Automationsgrad. Die SRI-Werte befanden sich dabei im Bereich von 32 % bis 65 % (siehe Abbildung 5 – „SRI-Bewertungen für 4 Wohngebäude und 3 Nichtwohngebäude“).

Dabei wurden ergänzend zu den konkreten Gebäuden auch fiktive Veränderungen durchgeführt. Auf Basis dieser Erkenntnisse ergab sich, dass bei der Bewertung von „echten“ Gebäude Werte zwischen 45 % und 80 % zu erwarten sind – mit Abweichungen in Einzelfällen nach oben und unten. Basierend darauf gelangte Hr. Schmidtke in seiner Bachelorarbeit zu folgender Interpretationsempfehlung für SRI-Werte:

Plausibilitätsuntersuchung

Zur Plausibilisierung von Berechnungswerten ist es erforderlich, alternative Berechnungsmethoden nutzen zu können. Dies war für die meisten „Impacts“ nicht möglich. D.h. es existieren keine anerkannten und erprobten Berechnungsverfahren, um z.B. den Komfort, die Bequemlichkeit oder gar den Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden durch die Gebäudeautomation zu bewerten.

Somit reduzierte sich der Fokus auf den Impact „Energieeffizienz“, für den die DIN EN 15232 als Vergleichsmethode verwendet werden konnte. Dabei sind im Gegensatz zur Methode der SRI-Berechnung in der DIN EN 15232 keine Gewichtungsfaktoren enthalten. Um Vergleichsberechnung auf Basis der DIN EN 15232 durchzuführen, wurde das kostenlose Online-Tool „Gebäudeeffizienz-Inspektor“ (https://gei.igt-institut.de) verwendet, welches in Ergänzung der Fragen der DIN EN 15232 die Gewichtungsfaktoren der eu.bac verwendet. Diese wiederum wurden in einer separaten wissenschaftlichen Arbeit untersucht und in Bezug auf die Belastbarkeit bestätigt. (Untersuchung der Anwendbarkeit der DIN EN 15232 für die Betriebsüberwachung nach den Richtlinien für die Durchführung von Baumaßnahmen des Bundes RBBau durch die LBD Nürnberg, Birgit Tzitschke, 2012)

Abbildung 7 (Vergleich der Bewertungen gemäß DIN EN 15232 mit den Bewertungen des SRI) zeigt den Vergleich am Beispiel von vier Gebäuden. Dabei ergab sich das Bild, dass die Bewertung der Energieeffizienz durch den SRI höher ausfällt, als bei Anwendung der DIN EN 15232. Dies ist zunächst überraschend, da beide Verfahren im Wesentlichen auf den gleichen Fragen beruhen. Die unterschiedliche Bewertung muss somit auf unterschiedliche Gewichtungsfaktoren zurückzuführen sein. Da die eu.bac-Faktoren bereits einem umfangreichen Praxisvergleich unterzogen und als sinnvoll bestätigt wurden, erscheint die Bewertung der Energieeffizienz durch die SRI-Methode etwas optimistisch.

Interessant ist auch die Erkenntnis, dass der Gesamt-SRI-Wert in etwa der Bewertung durch die DIN EN 15232 entspricht. Nun ist es so, dass die vom SRI-Verfahren verwendete Fragen fast überwiegend aus der DIN EN 15232 stammen und sich somit „nur“ dem Fokus der Energieeffizienz widmen. Somit hat sich das Bild ergeben, dass die Bewertung von Gebäuden auf Basis der DIN EN 15232 samt Nutzung der eu.bac-Faktoren in etwa dem SRI-Wert entspricht.

Fazit

Mit dem SRI-Verfahren soll die „Intelligenzfähigkeit“ von Gebäuden systematisch bewertet werden können. Zur Anwendung stehen bereits eine Checkliste sowie Gewichtungsfaktoren zur Verfügung. Dabei sind diese als Vorlagen auf der Homepage der Arbeitsgruppe zum SRI verfügbar. Nicht offiziell verfügbar sind konkret nutzbare Tools zur Anwendung (entsprechende protypische Tools auf Excel-Basis sind verfügbar, aber noch nicht offiziell freigegeben). Trotzdem scheint mit dem SRI-Verfahren die Anforderung der EPBD 2018, Gebäude bewerten zu können, erfüllt zu sein.

Die Fragen der Checkliste stammen überwiegend aus der DIN EN 15232 und beziehen sich somit auf den Aspekt der Energieeffizienz. Nachdem das SRI-Verfahren auch Werte zu „Impacts“ wie Komfort, Bequemlichkeit oder Gesundheit und Wohlbefinden berechnet, wäre hier eine entsprechende Erweiterung der Fragen wünschenswert.

Bei der Eingabe von konkreten Gebäuden hat sich eine Bandbreite des SRI-Wertes von 45 % bis 80 % ergeben. Höhere Werte sind dabei möglich, sofern ein Gebäude über einen besonders hohen Automationsgrad verfügt.

Bei der Plausibilisierung der SRI-Werte hat sich das Bild ergeben, dass der Wert für die Energieeffizienz etwas zu optimistisch ausfällt – sich dann aber bei der Bildung des SRI-Wertes wieder relativiert. D.h. der SRI-Wert entsprach in etwas dem Wert der Bewertung gemäß der DIN EN 15232 inklusive Nutzung der eu.bac Gewichtungsfaktoren.

Somit der Tipp: Solange es für den SRI noch keine offiziellen Tools gibt und sofern sich die zugrundeliegenden Fragen für die Bewertung des SRI nicht ändern, kann eine erste Abschätzung des SRI-Werts mit dem kostenlosen Online-Tool „Gebäudeeffizienz-Inspektor“ unter https://gei.igt-institut.de durchgeführt werden.


Web-Seminar zum „Tipp des Monats“ – Aufzeichnung

Zum diesem „Tipp des Monats“ fand ein kostenloses Web-Seminar mit Prof. Dr. Michael Krödel statt.

Die Aufzeichnung können Sie in unserem YouTube-Kanal ansehen:

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